Ägypten, 1911-1914
Wandmalerei aus El-Amarana, Szene: Zwei Töchter des Amenophis IV; Nofernoferuaton und Nofernoferure.
300 km südlich von Kairo liegen die Ruinen von Amarna, jener Hauptstadt Ägyptens, die der «Ketzer-Pharao» Amenophis IV./Echnaton um 1350 v. Chr. als königliche Residenz und als Kultstadt für den von ihm verehrten Sonnengott gegründet hat. Rund 15 Jahre nach der Gründung wurde Amarna wieder verlassen, und da später keine Überbauung erfolgte, bot sich hier den Archäologen die einmalige Chance, einen altägyptischen Siedlungsverband in seiner ursprünglichen Anlage auszugraben. Es war der Bauforscher und Ägyptologe Ludwig Borchardt, der diese Möglichkeit erkannte, und es gelang ihm, die DOG zu einer Versuchsgrabung zu bewegen. Die Stichproben zeigten, daß die früheren Grabungen von W. M. F. Petrie (1891/92) und A. Barsanti (1896) mindestens zwei Drittel der Stadt unberührt gelassen hatten. Noch 1907 faßte der Vorstand der DOG den Beschluß, Amarna im Sinne von Borchardts Vorschlag vollständig auszugraben. Wie die anderen ägyptischen Unternehmungen der DOG wurde auch diese Grabung von James Simon finanziert. Als Inhaber der Grabungskonzession war Simon der Eigentümer der bei den Fundteilungen dem Ausgräber zugesprochenen Stücke; Simon hat alle in sein Eigentum übergegangenen Fundstücke durch Schenkungen an das Berliner Ägyptische Museum weitergegeben.
In Erwartung eines baldigen Grabungsbeginns ließ Borchardt im Frühjahr 1908 in Amarna ein Expeditionshaus errichten. Der Vorstand der DOG ließ jedoch erst 1911 mit den Arbeiten beginnen. Diese Verzögerung ist vermutlich eine Folge der 1908 um Borchardts Person ausgebrochenen Krise, die der Leser aus dem Abschnitt über die Grabungen in Abusir kennt. Die erste Kampagne in Amarna dauerte von Januar bis April 1911. Wie in den folgenden Kampagnen wurden rund 260 einheimische Arbeiter angeworben. Abgesehen von Borchardt als Grabungsleiter nahmen die Ägyptologen Hans Abel und Georg Möller teil sowie die Architekten Uvo Hölscher und Dietrich Mareks. In späteren Grabungswintern haben die Ägyptologen Hermann Ranke und Friedrich Rösch teilgenommen sowie die Architekten Karl Breith, Paul Hollander, Walter Honroth, Karl Dubois und Hellmut Kirmse. Gleichfalls 1911 begann der Infanterie-Hauptmann Paul Timme mit einer Meßtischaufnahme des gesamten Stadtgebietes; Timme veröffentlichte seine Ergebnisse 1917 in WVDOG 31. Im Anschluß an diese kartographische Aufnahme teilte Borchardt das Stadtgelände in Quadrate von 200 m Seitenlänge ein und benannte sie von Westen her mit Buchstaben, von Norden her mit Zahlen.