Irak, 2013
Die Shahrizor-Ebene im irakischen Hochland
Im Frühjahr 2013 vergab die Deutsche Orient-Gesellschaft ein Forschungsstipendium im Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Ländern des Vorderen Orients an den irakischen Archäologen Saber Ahmad Saber (Directorate of Antiquities Sulaimaniya). Im Rahmen des Förderprojektes „Die Vorgeschichte in der Shahrizor-Ebene“ soll er die Ausgrabungen des Antikendienstes der Provinz Sulaimaniya in Tanjero und Greza, zwei prähistorische Fundorte im Nordosten des Irak nahe der Grenze zu Iran, an der Universität München gemeinsam mit der deutschen Archäologin Simone Mühl (LMU München) wissenschaftlich aufarbeiten.
Ziel dieser Aufarbeitung ist es, die spätneolithische und chalkolithische Vorgeschichte der Shahrizor-Ebene (6. und 5. Jahrtausend v. Chr.) im oberen Zuflussgebiet des Diyala näher zu erforschen. Hierbei sollen lokale Eigenheiten, aber auch das Wechselspiel der prähistorischen Kulturen in einer geographischen Schnittzone überregionaler Handels- und Austauschnetzwerke untersucht werden.
Tanjero
Der Fundort Tanjero, der im Norden der Shahrizor-Ebene liegt, wurde 2008 unter der Leitung von Salah Salman (Universität Erbil) ausgegraben. Die Reste des von Bulldozerarbeiten bedrohten Hügels konnten nach Angaben des Ausgräbers in die Halaf-, Ubaid und Uruk-Zeit datiert werden.
Unter den Funden sind auch polychrome Scherben der Halaf-Keramik. Diese Keramik ist derzeit regional nur in Tell Begom nachgewiesen, einem Fundort im nördlichen Überschwemmungsgebiet des Darband-i Khan-Stausees. Die Ubaid-zeitlichen Funde deuten darauf hin, dass an dem Fundort auch Kinderbestattungen, vermutlich in einem häuslichen Kontext wie Bestattungen gleichzeitiger Siedlungen vermuten lassen, gefunden wurden. Der Fundort ist neben Tell Begom, dessen Grabungsdokumentation allerdings nicht umfassend publiziert ist, da sie vermutlich verloren ging, der derzeit einzige Siedlungshügel in der Region, an dem eine durchgehende Sequenz vom ausgehenden Neolithikum bis in das späte Chalkolithikum nachweisbar sein könnte.
Greza
Greza ist ein kleiner Hügel, der im Rahmen einer Notgrabung von der Antikenbehörde Sulaimaniya unter der Leitung von Kamal Rasheed und Hashim Hama 2003 archäologisch untersucht wurde. Er liegt in einem natürlichen Korridor im Nordbereich der Shahrizor-Ebene an einer der Hauptrouten, die vom Nordwesten über Penjwin und Hawraman in das iranische Hochland bzw. zum Diyala-Gebiet führen. Die Untersuchungen in Greza förderten Ubaid-zeitliche Keramik und Reste kleinteiliger Wohnbebauung zutage. Die Funde, die bei der Notgrabung geborgen wurden, sind mit Stücken aus Fundorten im westlich gelegenen Hamrin-Gebiet vergleichbar. Es bleibt zu erkunden, ob Funde und Kontexte aus Greza einen lokalen Hintergrund haben, oder ob sich die Vermutung bestätigt, dass die Ubaid-Kultur erst spät Eingang in die Region gehabt haben könnte. In diesem Modell käme dem Hamrin-Gebiet demnach eine Rolle als Mittler von neuen Entwicklungen in der Keramikherstellung und weitläufigen gesellschaftlichen Veränderungen zu.
Eine detaillierte Beschreibung der Vorgeschichte der Shahrizor-Ebene anhand der Forschungsergebnisse der vorgestellten Grabungen in Tanjero und Greza soll in den Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft publiziert werden.