Wadi Rajib
Jordanien, 2021
(von Simon M. Halama)
Wadi Rajib ist ein Tal im nordjordanischen Ajlun-Gebirge, dessen gleichnamiger Wasserlauf in den Jordan mündet. Die großen Unterschiede in Höhe (zwischen 200 Meter unter und 1200 m über dem Meeresspiegel) und der Menge der Regenfälle führen dazu, dass entlang des weniger als 20 km langen Wadis sehr unterschiedliche Natur und Vegetation von steppenartigen Busch- und Graslandschaften bis zu immergrünen Wäldern anzutreffen sind.
Die archäologische Erforschung der Region beschränkte sich bislang weitgehend auf die Erfassung und Datierung der Siedlungen entlang des Tals und verharrte bis zu Beginn des Projektes weitgehend auf dem Stand der späten 1960er Jahre. Vor diesem Hintergrund war das Ziel der ersten, von der Deutschen Orient-Gesellschaft finanzierten Surveykampagne 2021, archäologische Stätten und kulturelles Erbe der Region in ihrer ganzen Vielfalt zu erfassen und zu dokumentieren. Das bedeutet, dass wir uns nicht allein auf die größeren Siedlungen konzentrierten, die in der Regel bereits erfasst worden waren, sondern dass wir jenseits und zwischen ihnen nach allen Zeugnissen menschlicher Aktivitäten suchten. Dazu befragten wir die Bewohner des Tals und führten an verschiedenen Stellen Oberflächenbegehungen in Feldern, Pflanzungen und Gärten entlang des Flusses sowie an den Hängen und auf den Höhen der Berge durch. Indem wir unsere Suche auf verschiedene Höhenlagen und verschiedene ökologische Zonen in Wadi Rajib verteilten, erhielten wir einen umfassenden ersten Eindruck von der Vielfalt der archäologischen Stätten in Wadi Rajib. Zudem suchten wir auch bekannte archäologische Stätten auf, um frühere Erkenntnisse zu überprüfen und zu ergänzen.
Erstmalig dokumentierten wir 25 neue archäologische Stätten mit insgesamt über 70 Einzelinstallationen. Das Spektrum reicht dabei von kleineren Artefaktstreuungen, über diverse Felsinstallationen, die zum Teil einzeln, häufig aber auch in größeren Gruppen auftraten wie Felsmulden (cup marks) und Felsbassins, Silos und Zisternen, Weinkeltern und einer Vielzahl von Felsnischen, Felskammern und Höhlen sowie größeren und kleineren Steinbrüchen bis hin zu einzelnen Gebäuden oder Gebäudekomplexen und den bereits bekannten Siedlungen. Unter den neuen Fundorten besonders bedeutsam – weil in dieser Form bislang noch nicht dokumentiert – sind zwei kleinere Gebäudekomplexe, möglicherweise Gehöfte, mit bronze- und eisenzeitlichen Befunden. Die chronologische Spannweite der Befunde und Funde reicht aktuell von der Frühen Bronzezeit (ca. 3800-2400 v. Chr.) bis in die Osmanische Zeit (1516-1918 n. Chr.), wobei sich viele der Felsinstallationen nicht eindeutig datieren lassen. Bei der Untersuchung von acht bereits bekannten Siedlungen wurden vielfach bestehende Erkenntnisse bestätigt, aber zum Teil auch dramatische neue Erkenntnisse zu bis dahin nicht dokumentierten Besiedlungsphasen gewonnen.
Insgesamt hat die erste Kampagne damit vor allem die Vielfalt der archäologischen Befunde jenseits der Siedlungen demonstriert, auf die sich die bisherigen Forschungen weitgehend konzentriert hatten. Neue Befunde zeigen weiterhin, dass wohl spätestens ab der Mittelbronzezeit auch kleinere Gehöfte oder ähnliche Gebäudekomplexe jenseits der dörflichen Siedlungen Bestandteil des Siedlungssystems gewesen sein dürften. Ferner deuten sich für die verschiedenen Abschnitte der Bronzezeit sowie für die Eisenzeit eine dichtere Besiedlung an, als bislang angenommen wurde. Noch deutlicher ist allerdings die Zunahme an Fundplätzen für die römische Periode.
Inzwischen wurde im Herbst 2022 eine weitere Surveykampagne durchgeführt, in der unter anderem auch eine mittlere Anzahl frühbronzezeitlicher Dolmengräber dokumentiert wurde. Eine weitere Kampagne ist für den Herbst 2024 in Vorbereitung.
Projekthomepage:
https://www.vorderas-archaeologie.uni-muenchen.de/forschung/wadi_rajib/index.html